Tag der Archive 2022. Logo Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.v.

Fakten

Zahlen rund um das Landesarchiv Berlin

Bezeichnung Menge Einheit
Nutzfläche Gebäude 20.799 qm
Umfang der Aktenbestände 51.302 lfm
Anzahl der Fotos 2.321.954 Stück
Anzahl der Karten und Pläne 322.166 Stück
Anzahl der Plakate 36.310 Stück
analoge Filme 3.800 Stück
analoge Tonbänder 5.214 Stück
Bibliothek 110.449 Bände
Zeitungen/Zeitschriften 38.986 Bände
Findmittel: Archivdatenbank 2.868.609 Datensätze

Unsere ältesten und jüngsten Archivguteinheiten

Urkunden

Das älteste erhaltene Stadtprivileg in der hiesigen Überlieferung datiert auf 1298. Darin bestätigt Markgraf Otto V. von Brandenburg die Rechte der Stadt, insbesondere das Niederlagerecht in Berlin und Cölln, den Hufenzins und das Stättegeld. Er bestätigt zudem, den Zoll von der Holzflößerei durch die Stadt Köpenick sowie von Schiffen, die durch den Berliner Mühlendamm von Fürstenwalde nach Köpenick gehen, für 220 Pfund landesüblicher brandenburgischer Münze, welche er bereits in bar erhalten habe, an die Stadt Berlin verkauft zu haben.

Noch bedeutender ist allerdings das Berliner Stadtbuch, in dem Urkunden- und Gesetzestexte aus den Jahren 1272 bis 1489 verzeichnet sind.

Urkunde von 1298
CloseUrkunde von 1298 und Verordnung von 2021, Schwartz-Ahrens von 1860
Urkunde von 1298, Landesarchiv Berlin, F Rep. 238-01 Nr. 1298/1
Auswahl Berliner Stadtbuch
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Die ersten Seiten aus dem Berliner Stadtbuch mit Darstellungen von Christus als Weltenrichter auf dem Regenbogen sitzend (Seite 4)
sowie der Gottesmutter Maria als Symbol richterlicher Gnade (Seite 5), Landesarchiv Berlin, A Rep. 500 Nr. 1  View in Fullscreen

Seit 1949 übernimmt das Landesarchiv Berlin regelmäßig Ausfertigungen von Gesetzen und Verordnungen durch die federführenden Senatsverwaltungen zur dauernden Aufbewahrung. Die Fünfzehnte Verordnung über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten vom 14.12.2021 ist die jüngste Urkunde in unseren Beständen.

Urkunde Sanierungsgebiete
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Urkunde Fünfzehnte Verordnung über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten,
Landesarchiv Berlin, F Rep. 238-04 Nr. 26211 Full Sreen

Fotografien

Das Landesarchiv Berlin verwahrt in seiner Fotosammlung anschauliche historische Quellen aus über hundert Jahren Geschichte Berlins. Die Kollektion zählt mit 2,3 Millionen analogen und digitalen Motiven zur politischen, kulturellen und städtebaulichen Entwicklung sowie der Alltagskultur Berlins zu einer der größten fotografischen Überlieferungen der Stadt. Sie vereint die historischen Bestände des Stadtarchivs Ost-Berlin, des Landesarchivs West-Berlin sowie der Landesbildstelle Berlin.

Zu den ältesten Fotografien unserer Sammlung zählen Aufnahmen des historischen Berliner Rathauses in der Spandauer Straße und Königstraße, die um 1860 entstanden. Nach neuesten Untersuchungen können sie dem Werk des Fotografen Leopold Ahrens zugeschrieben werden.

Berliner Rathaus, 1860
CloseHistorisches Berliner Rathaus, 1860
Historisches Berliner Rathaus, 1860,
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290-01-01 Nr. 1266.

An der Erweiterung der Sammlung im Landesarchiv Berlin arbeitete seit der Übernahme des Bildarchivs der Landesbildstelle bis 2021 ein Fotograf, der kontinuierlich Pressetermine des Senats wahrnahm oder im Rahmen der Stadtbilddokumentation die Veränderung des Stadtbildes fotografisch festhielt. Die Motive des Staatsbesuchs der dänischen Königin Margarete II. und Kronprinz Frederik in Berlin fotografierte unser Fotograf Tomas Platow im November 2021.

Besuch Margarete II.
CloseFotos vom Staatsbesuch der dänischen Königin, 2021
Staatsbesuch der dänischen Königin, 2021,
F Rep. 290 (eDok) Nr. D_009479, (Foto: Thomas Platow).

Karten und Pläne

Die Kartenabteilung umfasst rund 322.000 Karten und Pläne aus dem 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Sie präsentiert den bedeutendsten Bestand zur Topographie sowie wertvolle Pläne zur Architektur-, Stadtplanungs- und Technikgeschichte der Stadt Berlin.

In der Allgemeinen Kartensammlung (F Rep. 270) sind Handzeichnungen, Drucke und Kopien namhafter Autoren überliefert ebenso wie Verlagskartographie. Zu den ältesten Dokumenten der Sammlung zählen der älteste bekannte Stadtplan von Berlin von Johann Gregor Memhardt (1607 – 1678) aus dem Jahr 1652 sowie eine Handzeichnung der Stechbahn zur Zeit des Kurfürsten Joachim II, entstanden zwischen 1538 und 1571.

Stadtplan Berlin von 1652
CloseStadtplan von Berlin von 1652,Landesarchiv Berlin, F Rep. 270, A Nr. 9
Stadtplan von Berlin von 1652, Landesarchiv Berlin, F Rep. 270, A Nr. 9
Handzeichnung der Stechbahn
CloseHandzeichnung der Stechbahn zur Zeit des Kurfürsten Joachim II., Landesarchiv Berlin, F Rep. 270, A Nr. 546
Handzeichnung der Stechbahn zur Zeit des Kurfürsten Joachim II., Landesarchiv Berlin, F Rep. 270, A Nr. 546.

Themenstadtpläne Berlins, die in verschiedenen Verlagen erscheinen, gehören ebenso zum Spektrum der Kartensammlung, so wie der im Jahr 2021 erschienene Kiezplan von Berlin mit 400 Kiezen, Vierteln und Ortsteilen der Edition Gauglitz.

Kiezplan von Berlin
CloseKiezplan von Berlin von 2021
Kiezplan von Berlin, Landesarchiv Berlin , F Rep. 270, Nr. 14297.

Geschichten und Kurioses

Zensiert !

Berlin galt seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als die deutsche Theaterstadt. Namhafte Theaterdirektoren, Regisseure und Schauspielerinnen und Schauspieler verhalfen Autoren wie Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler, Henrik Ibsen oder Frank Wedekind auf den Berliner Bühnen zum Durchbruch.

Die Kontrolle von Presseerzeugnissen sowie der Theater lag in Preußen in der Zuständigkeit der Polizei, bis durch eine Verordnung im März 1820 ausdrücklich die Theaterzensur eingeführt wurde. Wurde sie infolge der Revolution von 1848/49 zunächst abgeschafft, erließ Polizeipräsident Karl Ludwig Friedrich von Hinckeldey im Juli 1851 die Berliner Theaterverordnung, die bis November 1918 galt. Die Überwachung der Spielstätten und die Zensur der Stücke sollten der Abwehr möglicher Gefahren sowie der Aufrechterhaltung der moralischen und sittlichen Wertvorstellungen und Ordnung dienen.

Die Verordnung sah vor, dass Bühneninhaber jeweils zwei Exemplare des Textbuches (inkl. der Strichfassung) des aufzuführenden Stücks zur Genehmigung dem Polizeipräsidium vorlegen mussten. Ein Exemplar des Textes erhielt der Antragstellende mit einem Freigabe- bzw. Verbotsvermerk und Streichungen durch den Zensor zurück. Das zweite Exemplar blieb im Besitz der Behörde. Verstießen die Theater gegen die Vorlagepflicht sowie wichen diese von der genehmigten Vorlage während der Aufführung ab, konnten sie mit einer Geldstrafe oder auch dem Entzug ihrer Konzession bestraft werden.

Gegen die Zensur konnte Beschwerde beim Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg oder Klage vor dem Bezirksausschuss, dem Berliner Verwaltungsgericht, einreicht werden.

Der Bestand A Pr.Br.Rep. 030-05 Polizeipräsidium Berlin –Theaterpolizei enthält Akten aus den Jahren 1809 bis 1939 zur Verwaltung der Theaterpolizei, zur zensur-, gewerbe- und baupolizeilichen Überwachung öffentlicher Aufführungen und Veranstaltungen sowie zur gewerbepolizeilichen Überwachung von Schauspielerinnen, Schauspielern und Theaterunternehmen. Die überprüften Theaterzensurexemplare liegen als handschriftliche Abschriften, Drucke oder maschinenschriftliche Manuskripte aus der Zeit 1792 – 1918 bzw. 1880 - 1918 in zwei separaten Teil-Beständen formiert und umfassen über 16.000 Exemplare.

Für die Aufführungserlaubnis von Henrik Ibsens „Gespenster“ bedurfte es allein in Berlin drei Anläufe, bis Polizeipräsident Bernhard von Richthofen das Stück 1894 für Aufführungen im Lessingtheater freigab. Das im Landesarchiv verwahrte Theaterzensurexemplar enthält einen Stempel mit der Genehmigung für Vorstellungen im Lessingtheater im Jahr 1916.

Theaterzensurexemplar "Gespenster"
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Seiten aus dem Theaterzensurexemplar "Gespenster" von Ibsen,
Landesarchiv Berlin, A Pr.Br.Rep. 030-05-02, Nr. G 482.  View in Fullscreen

Auch die erste öffentliche Darbietung von Gerhart Hauptmanns Werk „Die Ratten“ unterlag der Theaterzensur. Bei der Uraufführung 1911 im Lessingtheater sollten Äußerungen der Rolle des Theaterdirektors Hassenreuter, die als verunglimpfend angesehen wurden, ausgelassen werden. Auch die Inszenierung des Stücks in der Volksbühne im Jahr 1916 wurde nur unter Auflagen genehmigt, wovon Genehmigungsstempel und Anzeichnungen zeugen.

Theaterzensurexemplar "Die Ratten"
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Seiten aus dem Theaterzensurexemplar "Die Ratten" von Hauptmann,
Landesarchiv Berlin, A Pr.Br.Rep. 030-05-02, Nr. 4961.  View in Fullscreen

Das Polizeipräsidium Berlin untersagte im März 1892 die Uraufführung von Hauptmanns „Die Weber“ (schles. „De Waber“) im Deutschen Theater Berlin. Aus diesem Grund konnte die Uraufführung nur in einer geschlossenen Veranstaltung für die Mitglieder der Freien Bühne im Neuen Theater (heute Berliner Ensemble) erfolgen. Das Aufführungsverbot wurde ein Jahr später vom Berliner Oberverwaltungsgericht aufgehoben. Somit fand die erste öffentliche Aufführung schließlich dann am 25. September 1894 im Deutschen Theater Berlin statt

Theaterzensurexemplar "De Waber"
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Seiten aus dem Theaterzensurexemplar "De Waber" von Hauptmann,
Landesarchiv Berlin, A Pr.Br.Rep. 030-05-02, Nr. W 405 a.  View in Fullscreen

Kriminelles Berlin

Archive dienen in erster Linie zur Sicherung und Aufbewahrung von behördlichem Schriftgut. Daher sind dreidimensionale Objekte, die in der Regel ihren Platz in Museen finden, eher selten. Sie sind jedoch insbesondere in Beständen von Justizbehörden zu finden. Die Überlieferung der Berliner Staatsanwaltschaften und Gerichte aus den unterschiedlichen Epochen umfassen im Landesarchiv mehrere Kilometer Unterlagen.

Akten spektakulärer Prozesse, die Ahndung von Massendelikten, aber auch die juristische Aufarbeitung staatlich sanktionierter Verbrechen nach 1945 oder 1990 spiegeln das Zeitgeschehen in Berlin von der Weimarer Republik bis zum vereinigten Deutschland wider.

Sämtliche Tätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden, wie Vermerke, Berichte, Protokolle, Gutachten, Anordnungen und Entscheidungen wurden zu einer Akte zusammengefasst. Lichtbildmappen und Tatortskizzen ergänzen die schriftlichen Ermittlungsergebnisse. Somit dokumentieren die Akten den gesamten Ablauf eines Justizverfahrens. Der Anzeige einer Straftat folgte die Weiterleitung der polizeilichen Ermittlungsergebnisse an die Staatsanwaltschaft, die dann Anklage erhob oder die Einstellung des Verfahrens verfügte. Die Gerichtsverhandlung und das Urteil durch das Gericht wurden ebenso festgehalten wie die Strafvollstreckung.

Eine Besonderheit von Gerichtsakten sind die in ihnen bisweilen enthaltenen sogenannten Asservate, die als amtlich aufbewahrte Beweismittel beigefügt wurden. Während größere Beweisstücke in den Asservatenkammern der Staatsanwaltschaft lagerten, fanden kleinere Gegenstände, aber auch Briefe und Fotos Eingang in die Akten selbst. Bei einer Anklageerhebung wurden sie als Beweisstück herangezogen und während der Hauptverhandlung durch das Gericht in Augenschein genommen. Sie sind Zeugen für Delikte aller Art, vom Diebstahl bis zum Mord.

Zum Tag der Archive präsentieren wir eine Auswahl von Dokumenten aus Kriminalfällen, die Berlins Justiz- und Polizeibehörden in Atem hielten. Der Journalist und Fotograf Leo Rosenthal hielt zahlreiche Verhandlungen heimlich mit seiner Kamera fest, die er im Rahmen seiner Tätigkeit als Gerichtsreporter besuchte.


Die „Geldschrankknacker“ Franz und Erich Sass

Die Gebrüder Sass verübten in den Jahren 1926 – 1933 mehrere spektakuläre Bank- und Tresoreinbrüche. Sie wurden 1940 zu elf und dreizehn Jahren Zuchthaus verurteilt, jedoch noch im gleichen Jahr auf Anordnung des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, von der Gestapo erschossen.

Franz und Erich Sass vor Gericht
Close Franz und Erich Sass vor Gericht
Franz und Erich Sass vor Gericht, 1929, Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 02 06 Nr. 49-1 (Foto: Leo Rosenthal).

Wettbetrüger Max Klante

Max Klante (1893 – 1950) gründete 1920 in Berlin einen Wettkonzern und die „Max Klante & Co. GmbH“. Er versprach seinen Anlegern ein sicheres System sowie hohe Gewinnausschüttungen. Zur Rennsaison des Jahres 1921 startete er seine Geschäfte, die auf einem Schneeballsystem basierten. Schon bald standen Wettbeträge von über fünf Millionen Mark Gewinne von drei Millionen Mark gegenüber. Im September 1921 wurde Max Klante verhaftet. Im Dezember 1922 begann vor dem Landgericht III in Berlin der Prozess gegen ihn. Die Anklage umfasste Betrug, gewerbsmäßiges Glücksspiel und Vergehen gegen die Konkursordnung. Er wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Insgesamt hatten über 200.000 Menschen Klante ihr Geld anvertraut. Der angerichtete Gesamtschaden soll sich auf 90 Millionen Goldmark belaufen haben.

Nach seiner Freilassung musste sich Max Klante auch 1932 wegen verschiedener Betrugsdelikte vor Gericht verantworten.

Max Klante vor Gericht
Close Max Klante vor Gericht, 1932
Max Klante vor Gericht (rechts außen), 1932,
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290-02-06 Nr. 54 (Foto: Leo Rosenthal).
Vernehmung Max Klante
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Vernehmung Max Klantes nach der Verhaftung, Landesarchiv Berlin, A Rep. 358-01 Nr. 2728/2.  View in Fullscreen
Wettbüro Max Klante
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Annonce und Wettzeitung aus dem Klante-Konzern, Landesarchiv Berlin, A Rep. 358-01 Nr. 2728/3.  View in Fullscreen
Schlager Klantes Konzern-Tanz
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Schlager Klantes Konzern-Tanz, eingereicht vonn einem durch Klante Geschädigten, Landesarchiv Berlin, A Rep. 358-01 Nr. 2728/8.  View in Fullscreen

Heilmagnetiseur Joseph Weißenberg

Die fatalen Folgen einer unsachgemäßen Heilbehandlung beschäftigten im Herbst 1929 Fach- und Laienpublikum gleichermaßen. Der Begründer der „Evangelischen Johannischen Kirche nach der Offenbarung St. Johannes“ und so genannte Heilmagnetiseur, Joseph Weißenberg musste sich für den Tod eines Drogisten vor Gericht verantworten. Der Drogist starb an den Folgen eines Nackenkarbunkels, der nach Ansicht Weißenbergs durch Auflegen von weißem Käse behandelt werden sollte.

Joseph Weißenberg
Close Joseph Weißenberg
Joseph Weißenberg, 1930, Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 02 06 Nr. 91-4 (Foto: Leo Rosenthal).

Felsenfest und Immertreu – Ringvereine in Berlin

Sie waren eine feste Institution der Berliner Unterwelt in der Weimarer Republik: Die Ringvereine.

Sie gaben sich wohlklingende Namen wie Immertreu, Felsenfest, Norden, Libelle, Apachenblut, Deutsche Kraft, Rosenthaler Vorstadt oder Ring Großdeutschland und versuchten bürgerliche Lebenswelten zu kopieren, indem sie gesellschaftliche Bälle organisierten, die Ende der 1920er Jahre zu den Attraktionen der Stadt gehörten. Dort amüsierten sich bisweilen auch prominente Schauspieler, Anwälte, Richter und Kriminalkommissare.

Der erste Ringverein, der Reichsverein zur Unterstützung ehemaliger Strafgefangener entstand 1890 in Berlin und war ursprünglich ein Zusammenschluss ehemaliger Häftlinge und diente der gegenseitigen Unterstützung im Leben nach der Haft. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wandelte sich das Selbstverständnis der Ringvereine. Sie entwickelten zunehmend Züge der organisierten Kriminalität: Raubüberfälle, Prostitution und Zuhälterei, Schwarzmarkthandel und Alkoholschmuggel.

Ringvereine waren polizeilich registriert und hatten eigene Versammlungsregeln und Statuten. Und finanzierten sich aus „Vereinsbeiträgen“ der Mitglieder, aber vor allem aus Anteilen von Einbruchsdelikten oder Schutzgelderpressungen. Für Vereinsangehörige, die verhaftet und verurteilt wurden, verpflichteten die „Geschäftsführer“ renommierte Strafverteidiger.

Die Polizei beobachte die Machtstellung der Ringvereine, die sich in bestimmten Gegenden Berlins gruppierten. Sie bediente sich jedoch auch der Informanten aus dem Milieu. Im Vergleich zur ansteigenden allgemeinen Kriminalitätsentwicklung bedeuteten die Vereine für die Polizei in der Zeit der sozialen Umbrüche der Weimarer Republik das geringere Übel.

Treffpunkte der Vereine waren Kneipen. Vor allem in der Gegend um den Schlesischen Bahnhof versammelten sich verschiedene Ringvereine in ihren Stammlokalen. Der Ringverein Felsenfest traf sich in der Madeistr. 11.

Im Dezember 1928 fand zwischen Mitgliedern des Ringvereins Immertreu und Hamburger Zimmerleuten, die im Berliner U-Bahn-Bau tätig waren, eine Massenschlägerei mit über 200 Beteiligten statt. Sieben Zimmermänner wurden schwer verwundet; ein weiterer Handwerker erlag seinen Verletzungen im Krankenhaus. Im Januar 1929 erließ der Berliner Polizeipräsident Zörgiebel ein Verbot der Ringvereine. Einen Monat später begann im Alten Kriminalgericht in Moabit der Prozess gegen die Immertreu-Mitglieder Adolf Leib, genannt „Muskeladolf“, Bruno Steinke und anderen. Die Verteidigung übernahmen die damaligen Staranwälte Erich Frey und Max Alsberg. Da während der Verhandlung das Gericht nicht eindeutig die Schuldfrage klären konnte, fielen die Strafen gering aus. Das Verbot der Ringvereine musste aufgehoben werden. 1933 verboten die Nationalsozialisten die Ringvereine. Einzelne Mitglieder wurden als „Gewohnheitsverbrecher“ angesehen, verbrachten mehrere Jahre in Konzentrationslagern oder wurden nach ihrer Verhaftung „auf der Flucht erschlossen“.

Ringverein-Mitglieder auf der Anklagebank
CloseRingverein-Mitglieder auf der Anklagebank, um 1932
Ringverein-Mitglieder auf der Anklagebank, um 1932,
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290-02-06 Nr. 86, (Foto: Leo Rosenthal).
Urteil des Schöffengerichts
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Urteil des Schöffengerichts Berlin-Mitte vom 9. Februar 1929 gegen Adolf Leib u.a. wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung,
Landesarchiv Berlin, A Rep. 358-01 Nr. 2220/4, Bl. 76 – 106.  View in Fullscreen

Otto Witte – König von Albanien

Der Pankower Schausteller Otto Witte (1872 – 1958) erlangte als ein Berliner Original Berühmtheit. Während der Weimarer Republik trat er in Uniform und Fez auf Jahrmärkten sowie im Zirkus auf und bezeichnete sich als „Königin von Albanien“. Er berief sich dabei auf seine geheimdienstlichen Aktivitäten auf dem Balkan vor dem Ersten Weltkrieg. Infolge einer Verwechslung mit dem Neffen des osmanischen Sultans soll er im Februar 1913 zum König von Albanien ernannt worden sein. Nachdem seine wahre Identität entdeckt wurde, floh er aus Albanien zurück nach Berlin.

Das Polizeipräsidium Berlin genehmigte ihm den Titel als Künstlernamen. Seine abenteuerliche Geschichte veröffentlichte Witte in den 1930er Jahren in einem Buch unter dem Titel „Fünf Tage König von Albanien“.

Otto Witte vor Gericht (1)
CloseOtto Witte vor Gericht
Otto Witte Gericht, 1931,
Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 02 06 Nr. 8-1 (Foto: Leo Rosenthal).
Otto Witte vor Gericht (2)
CloseOtto Witte vor Gericht
Otto Witte Gericht, 1931, Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 02 06 Nr. 8-2 (Foto: Leo Rosenthal).

Ein Herz für jede Schnauze – Hunde in Berlin

Der Hund - Gefährte bei Jagd, Arbeit und Spiel. Das waren seine Rollen in den vergangenen Jahrhunderten. Mit keinem anderen Tier verbindet den Menschen eine derart innige Gemeinschaft, was täglich auch in Berlin zu erleben ist.

Zählten im 17. Jahrhundert Hunde zu beliebten Haustieren des Adels, gewann im Laufe der Jahrhunderte auch das Bürgertum Gefallen an felligen Vierbeinern als Gefährten im Haushalt. Hundefreunde statteten ihre Lieblinge mit kostbaren Halsbändern und Utensilien aus, ließen sie portraitieren oder nach dem Tode ausstopfen. Porzellanfiguren in Gestalt eines Mops erfreuten sich großer Beliebtheit.

Unter Berliner Händlern galten insbesondere große Hunde im 19. Jahrhundert als Nutztiere, die ihre mit Waren beladenen Wagen zogen und ihre Kräfte besonders gerne nutzten. Das Motiv des so genannten Karrenköters wurde sogar künstlerisch verarbeitet.

Der Erkrankung an der Hundswuth, später Tollwut genannt, sollte mit Hilfe von Verordnungen über einen Leinen- und Kettenzwang entgegengewirkt werden. 1830 wurde in Berlin die Hundesteuer eingeführt. Ein Hund kostete jährlich drei Taler. Von der Steuer befreit wurden Hundehalter, die Ihre Tiere zur Bewachung und Arbeit einsetzten. Die Steuer stellt den Beginn einer Protestbewegung unter Hundefreunden dar, die bis heute gegen die Finanzämter aufbegehrt.

Die ersten Hundevereine wurden in Berlin gegründet, 1899 der "Verein für Deutsche Spitze", im gleichen Jahr lud die "Gesellschaft für Hundefreunde" zu einer großen Hundeausstellung ein. Dem Polizeipräsidium Berlin konnten Vorschläge zur Bewilligung und Verleihung von Staatspreisen für Hundeausstellungen und Leistungsprüfungen von Hunden eingereicht werden.

Seit den 1930er Jahren wird im Statistischen Jahrbuch auch die Anzahl der Hundehalter und Hunde in Berlin erfasst. Hier einige Zahlen, die die wachsende Zuneigung der Berlinerinnen und Berlinern für ihre vierbeinigen Begleiter widerspiegelt:

Jahr Hundehalter*innen Hunde
1937 97.186 99.627
1956 84.812 87.962
1973 68.491 (Berlin-West) 72.855
1989 66.485 (Berlin-West) 71.323
2019 104.723 111.024


Frau mit ihrem Hund
Frau mit ihrem Hund "Fifi", 1921, Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 Nr. 0312506.

Werbeumzug des St. Bernhardiner-Clubs Berlin, um 1922
Werbeumzug des St. Bernhardiner-Clubs Berlin, um 1922, Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 Nr. 0316835.

Hund in der Großstadt
Hund in der Großstadt, 1952, Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 Nr. 0025275 (Foto: W. Tschink).

Schmiedeeisernes
Schmiedeeisernes Hinweisschild: "Hunde gehören an die Leine", 1955, Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 Nr. 0035334 (Foto: Willi Nitschke).

Bildplakat: Auf dein
Bildplakat: Auf dein "Benimm" kommt's an!, um 1959, Landesarchiv Berlin, F Rep. 260-03 Nr. B-1015.

Plakat: 23. Rassehunde-Ausstellung aller Rassen im VKSK und Jagdhunde, DDR-offen mit Teilnehmern aus sozialistischen Ländern mit Werbeschau der Diensthunde und Rassekatzen.
Plakat: 23. Rassehunde-Ausstellung aller Rassen im VKSK und Jagdhunde, DDR-offen mit Teilnehmern aus sozialistischen Ländern mit Werbeschau der Diensthunde und Rassekatzen, um 1989, Landesarchiv Berlin, F Rep. 260-02 Nr. B-1091.

Blick ins Hundemuseum in Alt-Blankenburg, 1992
Blick ins Hundemuseum in Alt-Blankenburg, 1992, Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 Nr. 0341778 (Foto: Gerhard Hoffmann).

Hund auf einem Fensterbrett in der Leberstraße in Schöneberg, 2012
Hund auf einem Fensterbrett in der Leberstraße in Schöneberg, 2012, Landesarchiv Berlin, F Rep. 290(eDok) Nr. D_003547 (Foto: Thomas Platow).